Anforderungen erheben

von Viktoria Redl

Anforderungen erheben

In einem der letzten Artikel haben wir uns bereits damit befasst, was genau eine Anforderung in der Softwareentwicklung ist. Nun wollen wir uns damit beschäftigen, wie man Anforderungen ermitteln kann.

 

Ausgangssituation

Das Ermitteln der Anforderungen ist nicht nur für Requirements Engineers von Softwarefirmen relevant. Auch PflegeinformatikerInnen werden mit so einem Auftrag in IT-Projekten, zur Integration neuer Software oder zur Weiterentwicklung bereits implementierter Software, konfrontiert.

Als Grundlage für die Identifikation von Anforderungen dient die vorangegangene Systemanalyse und –bewertung (siehe unsere Artikel: Systemanalyse und Systembewertung I, Systemanalyse und Systembewertung II). Dies hilft, den Anwendungsbereich besser zu verstehen und ist somit eine notwendige Voraussetzung für eine effektive Sammlung von relevanten Anforderungen.

Ebenso ist es von hoher Relevanz die Stakeholder vorab zu identifizieren. Dies geschieht mit der Bestimmung des Systemkontextes. Die betreffenden Stakeholder können als konkrete Quellen für Anforderungen herangezogen werden. Ebenso wie Systeme und Dokumente.

Je nach Anforderungsquellen, Anforderungsarten und Projektsituationen kann die passende Ermittlungstechnik bestimmt werden.

 

Techniken für die Ermittlung von Anforderungen

Für die Ermittlung von Anforderungen können unterschiedliche Techniken angewendet werden. Das International Requirements Engineering Board (IREB) gliedert diese in zwei Hauptkategorien: Erhebungstechniken sowie Entwurfs- und Ideenfindungstechniken.

Allgemein betrachtet gehören beispielsweise Interviews, Fragebögen, Beobachtungstechniken, artefaktbasierte Nachforschung (z.B.: Systemarchäologie, Dokumentenanalyse, Wiederverwendung von bestehenden Systemen), Prototyping und auch unterschiedliche Kreativitätstechniken wie Brainstorming oder Design Thinking (Bergsmann, 2018). Im Artikel der Projekt- und Strukturplanung findet ihr einige Kreativitätsmethoden aufgelistet.

Die folgende Grafik zeigt die Kategorien der Ermittlungstechniken nach IREB:

Kategorien der Ermittlungstechniken nach IREB; Quelle: https://www.peterjohann-consulting.de/ermitteln-von-anforderungen/

 

Weitere Methoden

Ergänzend zu Befragungstechniken können die Anforderungsermittler „in die Lehre gehen“. Das heißt, sie übernehmen unter Anleitung der User deren Aufgaben. So können Komplexität der Aufgaben erkannt und dementsprechend eigenständig Anforderungen definiert werden (Ammenwerth, 2005).

Ammenwerth unterscheidet noch weitere Methoden:

  • Anwendungsfallgetriebene Anforderungsermittlung
    • Hier werden die einzelnen Aufgaben des jeweiligen Anwendungsbereichs in einzelne Anwendungsfälle erarbeitet und strukturiert. Wurde bereits eine Systemanalyse durchgeführt, können die bereits erfassten Aufgaben dafür herangezogen werden.
  • Geschäftsprozessgetriebene Anforderungsermittlung
    • Bei dieser Technik werden konkrete Beschreibungen der Ist- und Soll-Geschäftsprozesse verwendet. So können Lösungsideen und Anforderungen abgeleitet werden.
  • Referenz-Anforderungskatalog
    • Wenn bereits aus externen Recherchen für dieselben Aufgaben Anforderungen/Anforderungskataloge gefunden oder bereits im Haus für ähnliche Aufgaben Anforderungen definiert wurden, können diese als Grundlage herangezogen und bei Bedarf angepasst werden.
  • Referenzbesuche
    • Für das Ermitteln von Lösungsideen oder Anforderungen können auch andere Einrichtungen besucht werden, welche bereits eine Lösung für den Anwendungsfall implementieren konnten.
  • Marktanalyse
    • Auch eine Recherche des Marktes kann helfen, um zu ermitteln wie andere Softwarehersteller die zu betrachtenden Problembereiche gelöst haben.
  • Simulation und animierte Visualisierung
    • Hiermit ist das Durchspielen von Ist- oder Soll-Prozessen mit den Usern gemeint. Dies kann helfen, um Lösungsideen zu entwickeln und Anforderungen daraus zu identifizieren.

 

 

Quellen:

Bergsmann J. (2018) Requirements Engineering für die agile Softwareentwicklung. Methoden, Techniken und Strategien. dpunkt Verlag. Heidelberg

Ammenwerth E. et al (2005) IT-Projektmanagement im Gesundheitswesen. Lehrbuch und Projektleitfaden. 2. Auflage. Taktisches Management von Informationssystemen. Schattauer Verlag. Stuttgart

 

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