Pflegeroboter, Assistenzsysteme und Exoskelette – die Zukunft im Gesundheitswesen?
Ich denke, mittlerweile ist „Pepper“ für viele ein Begriff. Pepper ist ein humanoider Roboter.
Lt. Probo-Robotics liegt die Herausforderung darin, eine revolutionäre Technologie auf nahtlose Weise in ein künstliches aber sympathisches Wesen zu integrieren. Ein niedliches Aussehen und die kindliche Stimme führen schnell dazu, dass wir Pepper einfach nur knuffig finden. Aber hinter diesem knuffigen Aussehen stecken viele technische Fähigkeiten.
Die ausgefeilte Technologie „emotion engine“ ist das Herz des sozialen Roboters. Dadurch kann Pepper gesprochene Worte, die Stimmlage und auch nonverbale Signale wie Haltung und Mimik analysieren. Er ist in der Lage, den emotionalen Kontext des Gesprächs wahrzunehmen und die Reaktion an die Stimmung anzupassen. Pepper kann Freude, Ärger, Trauer und Überraschung wahrnehmen und sogar differenziert darauf reagieren.
Peppers Anwendung kommt in vielen Bereichen zum Einsatz. Häufig ist Pepper an Veranstaltungen anzutreffen, kann Produktpräsentationen durchführen oder Menschen am Flughafen begrüßen und auf die Hygienemaßnahmen hinweisen.
Pepper kann aber aufgrund seiner empathischen Fähigkeiten auch im Gesundheitswesen eingesetzt werden. Vor allem in Langzeitpflegeeinrichtungen, akutgeriatrischen Stationen, Reha-Kliniken oder Pädiatrien könnte ich mir den kleinen Roboter sehr gut vorstellen. Er kann die Menschen einzeln oder in Gruppen unterhalten. Spiele und Denkaufgaben fördern die kognitiven Fähigkeiten. Er kann an die Medikationseinnahmen erinnern oder nach dem Befinden fragen. Ebenso könnte er Bewegungen vormachen und die Menschen zum Mitmachen motivieren, dies unterstützt die körperlichen/rehabilitativen Fähigkeiten. Diese Tätigkeiten würden die Pflegekräfte vor Ort entlasten.
Für schwere Arbeiten in der Pflege ist „Riba“ (Robot for Interactive Body Assistance) bereits auf dem Markt. Das neuere Modell nennt sich „Robear“ Durch Sprachkommandos kann dieser Roboter in Form eines Bären die Pflegepersonen bei schweren Hebe-/Lagerungs- und Mobilisierungstätigkeiten unterstützen. Ebenso gibt es Exoskelette. Das sind am Körper getragene Assistenzsysteme welche die Pflege bei Hebe- und Tragebewegungen unterstützen können. Aber auch an PatientInnen selbst, so ist es dann wieder möglich selbstständig zu gehen oder den Arm zu bewegen.
„Lio“ ist ein weiterer professioneller, persönlicher Roboter. Es ist ein mobiler Roboter, welcher mit einem funktionalen Arm den Menschen aktiv unterstützen kann.
Es gibt bereits auch Prototypen, welche medizinische Anamnesen oder Standarduntersuchungen selbstständig durchführen können.
Ebenso können Pepper oder ähnliche Roboter alleinlebende ältere Personen zu Hause unterstützen und etwas Gesellschaft leisten. Ebenso demente Menschen oder kognitiv Beeinträchtigte jeglichen Alters könnten in den eigenen vier Wänden gefördert und unterstützt werden („smart home“).
Humanizing Technologies bietet weitere Roboter an, welche ev. auch in Einrichtungen des Gesundheitswesens eingesetzt werden könnten:
- Double Roboter: ein Videokonferenz-Roboter mit Rädern für Fernmobilität
- dieser könnte für Televisiten wie Konsile eingesetzt werden; vor allem in Langzeitpflegeeinrichtungen ist nicht immer ein Arzt vor Ort; seht ein Beispiel des „Nachtdoktor-Konzepts“
- ein ähnliches Beispiel im Bereich der Telemedizin wäre das Pilotprojekt des „Telenotarztes“
- Temi Roboter: ein Telepräsenz-Roboter mit A. I. und einwandfreier Navigation
- in großen und weitläufigen Einrichtungen könnte dieser Roboter den BesucherInnen sowie PraktikantInnen und neuen MitarbeiterInnen den Weg zeigen; aber auch PatientInnen begleiten, wenn diese beispielsweise mobil sind und zu einer Untersuchung/Ambulanz gehen müssen
- Pudu Roboter: ein Service-Roboter, welcher Produkte auf einer Route liefert und transportiert
- dieser Roboter könnte Essenslieferungen/Abräumservice; Hol- und Bringdienste, Wäscheservice oder vlt. sogar Materialien für gewisse Eingriffe transportieren
- dieser könnte für Televisiten wie Konsile eingesetzt werden; vor allem in Langzeitpflegeeinrichtungen ist nicht immer ein Arzt vor Ort; seht ein Beispiel des „Nachtdoktor-Konzepts“
Mit ein paar Suchbegriffen in Google wird schnell ersichtlich, dass immer mehr Einrichtungen über Praxiserfahrungen mit Pepper und anderen Robotern berichten. Ebenso soll es viele Pilotprojekte und Förderungen zum Einsatz von Robotik im Gesundheitswesen geben (siehe weitere Quellenangaben am Ende des Artikels).
Jedoch wird das Thema der Hilfsroboter in der Pflege auch kritisch betrachtet. Roboter sollen Pflegeengpässe nicht ausgleichen oder Stellen ablösen. Pflegeroboter können auch nicht oder nur zum Teil emotionale Bedürfnisse stillen oder zwischenmenschliche Beziehungen ersetzen. Die finanziellen Mittel zur Anschaffung müssen vorhanden sein und die Einsatzgebiete der Roboter sollten evaluiert werden. Daher müssen vorab Nutzen und Ziele durch den Einsatz von Begleitrobotern definiert sein.
In dieser Diskussion könnten wir uns auch die Frage stellen, welche Tätigkeiten die Pflegepersonen überhaupt abgeben wollen.
Sollen diese zusätzlichen Helfer „nur“ unterstützende Tätigkeiten leisten, sodass Pflegepersonen mehr Ressourcen für ihre Kernaufgaben haben? Oder wäre es sogar vorstellbar, dass Roboter aufgrund ihrer künstlichen Intelligenz auch im pflegediagnostischen Prozess (wie auch medizinischer Diagnostik) eingesetzt werden? Ein Roboter könnte ein strukturiertes Anamnesegespräch führen und aus den Informationen einen Pflegeplan erstellen sowie frühzeitig Risiken ableiten. Er könnte allerdings auch die Visite begleiten und die ableitenden Tätigkeiten erledigen. Dies würde auch in Einrichtungen bei bestehendem Mangel an diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen gerechtfertigt sein. Diese Dinge zählen zu den Kernaufgaben der Pflegepersonen, nehmen aber viel Zeit in Anspruch. Viele Pflegende sagen, dass sie an der Pflegedokumentation viel Zeit verlieren, die sie eigentlich bei den PatientInnen verbringen sollten/möchten. Ein Roboter könnte den ganzen Tag die Pflegeperson begleiten und automatisch für sie dokumentieren. Würden auch diese Tätigkeiten wegfallen oder reduziert werden, bliebe mehr Zeit, um sich direkt mit den zu Pflegenden auseinanderzusetzen, zu kommunizieren sowie die pflegerischen Tätigkeiten in Ruhe und konzentriert auszuführen bzw. auch die PatientInnen geduldig anzuleiten, um die Ressourcen zu fördern.
Wir können uns aber auch die Frage stellen, wer vom Einsatz der Robotik im Gesundheitswesen profitiert. Diese Frage wurde auch 19 StudentInnen einer Gesundheits- und Krankenpflegeschule zum oben genannten Beispiel des „Nachtdoktorsystems“ gestellt (Quelle: Dr. Christoph Berdenich).
Unter Anbetracht der Zahlen der Pflegepersonal-Bedarfserhebung 2019 in Österreich ist der unterstützende Einsatz von Pflegerobotern (unabhängig des Einsatzgebietes) in den Einrichtungen künftig nicht mehr wegzudenken. Das Bundesministerium Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz geht in den nächsten zehn Jahren von einem zusätzlichen Bedarf von 34.000 Pflegepersonen durch die Zunahme der älteren Menschen und Ausbau von Pflege und Betreuung zu Hause aus, sowie von weiteren 41.500 Personen, um die Pensionierungen abzudecken. Das bedeutet, dass 2030 von einem Pflegepersonalbedarf von 75.700 Personen ausgegangen wird. Daher wird unter anderem auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Digitalisierung zur Unterstützung des Pflege- und Betreuungspersonals, empfohlen.
Wenn ihr möchtet gehen wir in den Erfahrungsaustausch oder Diskussion zu dem Artikel:
Werden in eurer Einrichtung (Pflege-)Roboter eingesetzt bzw. gibt es Überlegungen in diese Richtung?
Welche Vor- und Nachteile seht ihr im Einsatz von Pflegeroboter?
Würdet ihr euch lieber von einem Menschen oder Roboter pflegen lassen?
Sollten Roboter eher für Nebentätigkeiten eingesetzt werden oder auch für pflegerische Kernaufgaben?
Weitere Nachweise:
Der Standard: Pflegeroboter: Die neuen Helferlein kommen; Online unter https://www.derstandard.at/story/2000077082339/pflegeroboter-die-neuen-helferlein-kommen (Zugriff am 16.11.2020)
Die Presse: Pflegen uns bald die Roboter; Online unter https://www.diepresse.com/5756043/pflegen-uns-bald-die-roboter (Zugriff am 16.11.2020)
Salzburger Nachrichten: Roboter „Pepper“ hilft im Altenheim; Online unter https://www.sn.at/panorama/wissen/roboter-pepper-hilft-im-altenheim-25054450 (Zugriff am 16.11.2020)
Tagesschau.de: Mein Helfer, der Pflege-Roboter; Online unter https://www.tagesschau.de/inland/pflege-roboter-101.html (Zugriff am 16.11.2020)
Mdr Wissen: Hilfe in der Pflege: Roboter „Pepper“ stellt sich vor; Online unter https://www.mdr.de/wissen/pepper-roboter-pflege-100.html (Zugriff am 16.11.2020)
Gesundheitsstand Berlin: Pflege-Roboter „Pepper“ wird in Senioreneinrichtung getestet; Online unter https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/pflege-roboter-pepper-wird-in-senioreneinrichtung-getestet-12922/ (Zugriff am 16.11.2020)
Hunic: Expertise 4.0 Exoskelette in der Pflege; Online unter https://hunic.com/expertise-4-0-exoskelette-in-der-pflege/ (Zugriff am 27.11.2020)
Healthcare in Europe: Robotik, Exoskelette & Co.: Ein Ausblick auf die Pflege in Zukunft; Online unter https://healthcare-in-europe.com/de/news/roboter-exoskelette-co-ein-ausblick-auf-die-pflege-der-zukunft.html (Zugriff am 27.11.2020)
INQA: So kann Pflege in Zukunft leichter werden; Online unter https://www.inqa.de/DE/wissen/gesundheit/physische-und-psychische-gesundheit/expertise-40.html (Zugriff am 27.11.2020)